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Geschichte

Zur Geschichte der Anästhesiologischen Klinik

Die Anfänge

Erlangen war am 24. Januar 1847 Schauplatz einer der ersten Äthernarkosen in Deutschland, die der damalige Ordinarius für Chirurgie, Johann Ferdinand Heyfelder, an dem 26-jährigen Schuhmachergesellen Michael Gegner ausführte. In den knapp 6 Wochen vom 24. Januar bis 10. März 1847 folgten über 100 Äthernarkosen, die Heyfelder in einem kleinen Buch, das noch im März erschien, sorgfältig beschrieb und auswertete. Der Chemiker Ernst von Bibra und der Physiologe Emil Harless, die als Fakultätskollegen an den klinischen Narkoseversuchen von Heyfelder teilnahmen, waren vom Phänomen "Anästhesie" so fasziniert, dass sie sogleich eine experimentelle Untersuchung der Ätherwirkung begannen und die Ergebnisse als Buch bereits im April 1847 veröffentlichten. Zeitgenössische Rezensenten bewerteten die klinischen und experimentellen Beiträge aus Erlangen sehr anerkennend.  

Kaum 14 Tage nachdem der Geburtshelfer James Young Simpson aus Edinburgh bei systematischen Selbstversuchen mit Assistenten und Bekannten am 14. November 1847 die anästhetische Wirkung des Chloroforms entdeckt hatte, wurde das neue Anästhetikum auch schon im deutschsprachigen Raum angewandt. Heyfelder in Erlangen war auch diesmal einer der Ersten. Am 1. Dezember 1847 begann er mit der klinischen Erprobung. Seine guten Erfahrungen bewogen ihn, in seiner weiteren klinischen Praxis das Chloroform zu bevorzugen. Er wusste aber auch um die Gefährlichkeit dieses Mittels und forderte deshalb neben der Operationsassistenz auch mindestens "zwei Gehilfen für die Inhalationen des Chloroforms", wobei der eine die Lagerung überwachen sollte, während sich der andere voll und ganz der Anästhesieführung und dem Patienten - heute würde man sagen: der Überwachung der Vitalfunktionen - widmen sollte. Operateure verschiedener Fachrichtungen am Erlanger Universitätsklinikum haben immer wieder über klinische Untersuchungen mit neuen Narkosemitteln und -methoden berichtet. Als ein wichtiger Beitrag soll hier beispielhaft die Weiterentwicklung der Periduralanästhesie nach Dogliotti durch Kurt Denecke erwähnt werden. Die sog. "Plombenperidurale" - benannt nach der Gelatine-Plombe zur segmentalen Begrenzung der Anästhesie - war in der Erlanger Chirurgie bis Mitte der 1950er Jahre das Verfahren der Wahl auch bei großen Operationen.

Den entscheidenden Entwicklungsschub für die Etablierung der Anästhesie an der Medizinischen Fakultät und am Klinikum der Universität in Erlangen bedeutete der Wechsel in der Leitung der Chirurgischen Klinik im Jahr 1955. Prof. Dr. med. Gerd Hegemann wusste von seiner vorhergehenden Wirkungsstätte, der Chirurgischen Universitätsklinik in Marburg, um den Wert einer professionalisierten Anästhesie. Er suchte sich für die neu zu errichtende Anästhesieabteilung an seiner Klinik einen leitenden Arzt, der sein Wissen und Können gewissermaßen an der Quelle erworben hatte, in Amerika. Er fand ihn in der Person von Dr. med. Heinz-Otto Silbersiepe, der nach Medizinstudium und Pflichtassistentenzeit in seiner Geburtsstadt Berlin als Resident am Department of Anesthesiology des Georgetown Medical Center in Washington D. C. gearbeitet hatte, bevor er am 1. April 1956 seinen Dienst in Erlangen antrat. Bereits nach einem halben Jahr ging Silbersiepe wieder zurück in die USA. Immerhin tauchte der Name Silbersiepe bei der erstmaligen Nennung der Anästhesie in der Ankündigung der Vorlesung "Allgemeine Chirurgie und Anästhesie" im Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 1956/57 auf. Als Nachfolger für Silbersiepe kam am 1. Oktober 1956 Dr. med. Helmut Schaudig aus Würzburg. Er hatte sich während seiner zweijährigen Weiterbildung in Wuppertal zunehmend der Anästhesie gewidmet und war zwischenzeitlich ein halbes Jahr zu einem Intensivtraining in der Anästhesie an der Nissen'schen Klinik in Basel gewesen. Er arbeitete ein Jahr lang - bis zu seiner Facharztanerkennung - als Anästhesist und wechselte dann 1957 endgültig wieder in die Chirurgie. Die Leitung der Anästhesieabteilung ging ab dem 1. Oktober 1957 auf den in Fürth geborenen Dr. med. Erich Kirchner über, der in Erlangen studiert und promoviert hatte. Er hatte die Anästhesie bei Rudolf Frey in Heidelberg erlernt. Nach 13 Monaten, am 31. Oktober 1958 wurde die Stelle erneut vakant. Vorübergehend wurde Dr. med. Erich Rügheimer, der 1956 selbst die Facharztanerkennung für Anästhesie erlangt hatte, wie schon bei früheren Gelegenheiten als Kommissarius beauftragt. Mit Wirkung vom 1. Januar 1959 trat dann Dr. med. Karl-Hans Bräutigam seinen Dienst als Leiter der Anästhesieabteilung an. Seine Weiterbildung hatte er in Remscheid begonnen, dann ein halbes Jahr experimentell-pharmakologisch gearbeitet und seine Weiterbildung in der Anästhesie anschließend in Bielefeld fortgesetzt. Auch Bräutigam blieb nur ein halbes Jahr und wechselte bereits zum 1. Juli 1959 als Chefarzt der Anästhesie an das Katharinenhospital nach Stuttgart.

Hegemann bot nun Rügheimer, der 1958 auch den Facharzt für Chirurgie zuerkannt bekommen hatte, die Weiterführung der Abteilung an. Die Ernennung zum Oberarzt der Chirurgischen Klinik erfolgte 1960, 1964 die Habilitation. Mittlerweile hatte sich auch der Aufgabenbereich der "Anästhesie-Abteilung" über die Chirurgische Klinik hinaus auszuweiten begonnen. 1961 wurde nach der Berufung eines neuen Ordinarius für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde die anästhesiologische Betreuung dieser Klinik übernommen. Ein Jahr später folgten die Kiefer-, Augen- und Frauenklinik. Damit waren die ersten Schritte in Richtung einer zentralen Anästhesieeinrichtung für das gesamte Klinikum getan. 1964 wurde ein neuer Operationstrakt für die Chirurgische Klinik in Betrieb genommen, mit zunächst 7 und später 9 Operationssälen.

Entsprechend den Empfehlungen des Wissenschaftsrates von 1960 stellte die Erlanger Fakultät bereits 1961 einen Antrag auf Neuerrichtung eines Extraordinariats für Anästhesie, welches dann im Haushalt 1963 genehmigt wurde. Das bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus folgte dem Vorschlag der Fakultät und berief zum 1. April 1966 Rügheimer auf dieses erste Extraordinariat für Anästhesiologie an einer bayerischen Universität. Die akademische Antrittsvorlesung mit dem Thema "Die Bedeutung der Anästhesie für die operative Medizin" fand knapp 2 Jahre später am 17. Februar 1968 statt und bereits am Ende des gleichen Jahres beantragte die Fakultät, gestützt auf die Empfehlung des Wissenschaftsrates von 1964, die Anhebung des außerordentlichen Lehrstuhls für Anästhesiologie zum Ordinariat. Die Ernennung zum ordentlichen Professor erfolgte zum 1. September 1970. Nach weiteren 4 Jahren wurde die "Anästhesie-Abteilung" schließlich in "Institut für Anästhesiologie der Universität" umbenannt. Damit war die Verselbständigung der Anästhesiologie als eigenständiges Fach innerhalb der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg inhaltlich und formal zum Abschluss gekommen und man konnte sich seither dem weiteren personellen und strukturellen Ausbau widmen.