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Lehrstuhl 1970-1995

Direktorat Prof. Dr. med. Erich Rügheimer

Geboren am 16. Februar 1926 in Nürnberg, verstorben am 24. Februar 2007; 1946 - 1951 Studium der Humanmedizin an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen; ab 1951 Volontär-Assistent an der Chirurgischen Klinik der Universität Erlangen (Goetze); 1953 Promotion zum Dr. med. (Über die Möglichkeiten der präoperativen Bestimmung der Operationsfähigkeit mit Hilfe der Spirografie); ab 1953 wissenschaftlicher Assistent der Chirurgischen Klinik, Erlangen (Goetze); Neben der chirurgischen Ausbildung zunehmende Hinwendung zur Anästhesie; 1956 Facharztanerkennung für Anästhesie; 1958 Facharztanerkennung für Chirurgie; 1960 Oberarzt der Chirurgischen Klinik und Leiter der Anästhesieabteilung; 1964 Habilitation (Die Bedeutung der Vagusdurchtrennung für die pulmonalen Komplikationen nach hoher Oesophagusresektion); 1966 Extraordinarius für Anästhesiologie und Vorstand der Abteilung; 1970 Berufung auf den Lehrstuhl für Anästhesiologie an der Medizinischen Fakultät der FAU Erlangen; 1974 Erhebung der Abteilung zum selbständigen zentralen Institut für Anästhesiologie; 1974 - 1979 Dekan der Medizinischen Fakultät; 1994 Ernennung zum Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin; 1995 Professor emeritus.

Ordinariat und Klinik

Bei der Übernahme der Anästhesie-Abteilung durch Rügheimer im Jahre 1959 hatte die Anästhesie 3 Operationssäle mit 4 Tischen und zeitweise einem 5. Tisch für die Chirurgische Poliklinik zu versorgen. Die Vorbereitung bestand aus einem Raum, in dem auch das Instrumentarium wieder aufbereitet werden musste. Als Mitarbeiter standen dem Abteilungsleiter 2 Assistenzärzte und 2 Schwestern zur Verfügung, die noch auf die selbständige Durchführung von Narkosen geschult waren. Mit der sukzessiven Zentralisierung der anästhesiologischen Versorgung der dezentral gelegenen operativen Kliniken und Einrichtungen sowie der Erweiterung der operativen Kapazitäten durch Neubauten (Chirurgische Klinik 1964, Kopfkliniken 1978) wuchs die Anzahl der Mitarbeiter: 1971 waren es 53 (29 Ärzte, 17 Pflegekräfte, 3 Verwaltungsangestellte und 4 MTAs), 1984 bereits 104 (56 Ärzte, 39 Pflegekräfte, 3 Verwaltungsangestellte, 5 MTAs und ein Medizintechniker) und am Ende der Dienstzeit von Rügheimer 1995 153 (74 Ärzte, 64 Pflegekräfte, 7 Verwaltungsangestellte, 5 MTAs, 2 Medizintechniker und 1 Arbeiter). Nach Fertigstellung des sog. Labortrakts der Chirurgischen Klinik im Jahr 1968 (der dunklere Gebäudeteil in der zweiten Reihe) erhielt die Anästhesie-Abteilung erstmalig zusammenhängende Diensträume für den Abteilungsleiter, 3 Oberärzte, 2 Sekretariate und ein klinisches Akutlabor. Erst in den Jahren 1979 bis 1984 konnten durch Umbau- und Instandsetzungsmaßnahmen im Gebäude der ehemaligen Neurochirurgischen Klinik (das Gebäude davor) dringend notwendige Räume für die Anästhesie geschaffen werden (Bibliothek, Unterrichtsraum, wissenschaftliche Labors, Medizintechnik und Gerätepflege, wissenschaftliche Grafik und Photolabor, Dienst- und Büroräume). Im Februar/März 1990 konnten schließlich - nach fast 20-jähriger Antrags- und Planungszeit! - die Institutsräume (Direktion, Oberärzte, Bibliothek, Unterrichtsraum, wissenschaftliche Labors, Anästhesie-Ambulanz) im neuerbauten "Verbindungsbau" zwischen Chirurgischer und Medizinischer Klinik (der helle Gebäudeteil in der zweiten Reihe) bezogen werden. Medizintechnik und Schmerzambulanz verblieben in den bisher genutzten Räumen. Bereits in seiner Dissertation hatte sich Rügheimer mit der Lungenfunktion als einem entscheidenden Parameter für die Operationsfähigkeit beschäftigt. Anfang der 70-iger Jahre wurde nach amerikanischen Vorbildern ein "Inhalatorium" eingerichtet, wo die stationären Patienten der Chirurgischen Klinik mit unzureichender Lungenfunktion präoperativ ein Atemtraining und ggf. eine medikamentöse Inhalations- oder eine IPPB-Therapie erhielten. 1980 konnte diese Einrichtung zu einer Abteilung für Atemtherapie mit Lungenfunktionslabor erweitert und ausgebaut werden, wo zunehmend auch Patienten dezentraler operativer Kliniken untersucht und behandelt wurden. Beim Umzug in den Neubau im Jahr 1990 wurde daraus schließlich eine Anästhesie-Ambulanz, wo neben der kompletten präanästhesiologischen Diagnostik und Therapie auch die Prämedikation von Patienten für ambulante Eingriffe durchgeführt werden kann.

Schmerztherapie

Im Frühjahr 1985 war das Institut maßgeblich an der Gründung eines interdisziplinären Arbeitkreises zur Förderung von Schmerzforschung und Praxis der Schmerztherapie beteiligt. Diese "Schmerzkonferenz" war und ist für alle schmerztherapeutisch interessierten Fachgebiete offen. Die beteiligten Kliniken stellen Patienten vor und beraten gemeinsam über die therapeutischen Möglichkeiten. Im Februar 1988 wurde eine eigene anästhesiologisch Schmerzambulanz eingerichtet, die im Juli 1990 in die renovierten Räumen der bisherigen Atemtherapie umziehen konnte. Das Team der Schmerzambulanz versorgt im Rahmen eines postoperativen Schmerzdienstes stationäre Patienten mit Schmerzkathetern und Schmerzpumpen. Zusätzlich werden stationäre und ambulante chronisch schmerzkranke Patienten, insbesondere auch Palliativpatienten, behandelt und betreut.

Intensivmedizin

Ende der 50-iger Jahre wurde in der Erlanger Chirurgischen Klinik als einer der ersten in der Bundesrepublik eine Wachstation eingerichtet. Musste anfänglich für beatmungspflichtige Patienten noch eine Handbeatmung - wenn es sein musste rund um die Uhr - organisiert werden, kam hier später der erste Engström-Respirator zum Einsatz. An den Planungsarbeiten für eine neue Station, die 1968 in Betrieb ging, war die Anästhesie maßgeblich beteiligt. Bei Besuchen in herzchirurgischen Kliniken in den USA hatte man deren großräumige Wachstationen kennengelernt. Dieses Vorbild ging in die Konzeption des chirurgischen Wachsaals ein, der als Großraumsystem mit 3 Sälen und 3 Boxen für die isolierte Behandlung von Patienten (in den ersten Jahren hauptsächlich Tetanuspatienten) gestaltet wurde. Diese damals modernste Station hatte selbst wieder Vorbildcharakter für andere Neubauten. Die Anästhesie wurde von Anfang an in die therapeutische Betreuung der Intensivpatienten hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen interdisziplinär eingebunden. Allerdings verblieb die Station bis 1995 unter organisatorischer Leitung der Chirurgischen Klinik. Erst im Vorfeld der praktisch gleichzeitigen Neubesetzung der Lehrstühle für Chirurgie und Anästhesiologie wurde entsprechend der Vereinbarung zwischen den Fachgesellschaften für Chirurgie und Anästhesiologie ein Beschluss der Medizinischen Fakultät erwirkt, der sich für eine Übertragung der organisatorischen Leitung dieser interdisziplinär belegten operativen Intensivstation auf die Anästhesie aussprach. Dieser Fakultätsbeschluss wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst im Rahmen der Wiederbesetzung des Lehrstuhls für Anästhesiologie zum 1. Juni 1995 vollzogen.

Notfallmedizin

Am 1. März 1974 übernahm das Institut für Anästhesiologie die ärztliche Versorgung des vom Kreisverband Erlangen-Höchstadt des Bayerischen Roten Kreuzes bereitgestellten Notarztwagens für die Stadt Erlangen und das Umland auf der Grundlage eines dreiseitigen Vertrages zwischen der Universität, der Stadt Erlangen und dem Bayerischen Roten Kreuz. Das Notarztsystem in Erlangen wurde von Anfang an als stationäres System eingerichtet, d.h. der Notarztwagen ist an der Klinik stationiert und der Notarzt rückt bei Alarmierung durch die Rettungsleitstelle stets auf dem Wagen mit aus. Die Einsatzfrequenz hat sich bereits nach wenigen Jahren bei rund 2.900 Einsätzen pro Jahr eingependelt. Das notfallmedizinische Engagement der Erlanger Anästhesie fand ihren Niederschlag seit 1978 auch in der maßgeblichen Mitarbeit ihrer Ärzte am Hubschrauberstandort "Christoph 27" in Nürnberg.

Forschungsaufbau und Lehre

Die Eigenständigkeit der Erlanger Anästhesiologie in der akademischen Lehre begann mit der Erteilung der Lehrbefugnis an Rügheimer nach dessen Habilitation. Die zunächst einstündige Vorlesung "Anästhesie und Inhalationsnarkose", wie sie im Vorlesungsverzeichnis zum Sommersemester 1965 ausgedruckt war, erhielt im darauffolgenden Semester den Titel "Anästhesie und Reanimation" und wurde ab dem Wintersemester 1966/67 - jetzt unter dem Titel "Anästhesie und Wiederbelebung" ergänzt durch eine zweite Lehrveranstaltung "Erste Hilfe" mit praktischen Unterweisungen. Ab dem Wintersemester 1973/74 wurden dann erstmals als interdisziplinäre Veranstaltung gemeinsam mit Chirurgen, Kardiologen und Pädiatern "Praktische Übungen für akute Notfälle und Erste Hilfe" angeboten. Dieser interdisziplinäre Ansatz ließ sich in den folgenden Jahre nicht durchhalten und wurde von einem aufgefächerten Angebot der verschiedenen Kliniken (zumeist Vorlesungen) abgelöst. Auf Initiative der Studenten werden seit 1985 unter organisatorischer Leitung der Anästhesie - entsprechend den Vorgaben der Approbationsordnung - "Praktische Übungen für akute Notfälle und Erste Ärztliche Hilfe" wieder als scheinpflichtige interdisziplinäre Lehrveranstaltung (6. Studiensemester) der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg durchgeführt. Ein wichtiger Schritt war dann noch die Einführung des Praktikums der Notfallmedizin für den zweiten klinischen Studienabschnitt, dessen Ausgestaltung in Erlangen komplett die Anästhesie übernahm. Neben diesen Pflichtveranstaltungen differenzierte sich auch das sonstige Lehrangebot für die Studenten aus allen Teilgebieten der Anästhesiologie immer mehr aus. Forschung, wenn neben der hohen klinischen Belastung in den Anfangsjahren überhaupt Zeit dazu blieb, war zunächst in erster Linie klinische Forschung, orientiert an den praktischen Fragen der klinischen Praxis im Operationssaal und auf der Intensivstation. Für experimentelle Untersuchungen war man auf die Zusammenarbeit mit der experimentellen Chirurgie und theoretischen Instituten der Fakultät angewiesen. Dissertation und Habilitation von Rügheimer markieren das schwerpunktmäßig bearbeitete Forschungsfeld während seiner Amtszeit: die respiratorische Insuffizienz beim chirurgischen Patienten als Risikofaktor für Anästhesie und Operation, als akute Komplikation des traumatisierten und operierten Patienten, als Anlass zum aggressiven therapeutischen Eingreifen bis hin zur maschinellen Beatmung einschließlich technischer Entwicklungen (künstliche Nase, flexible Trachealkanüle, Sicherheitssystem zur Verhütung der Diskonnektion im Beatmungssystem). Die Schaffung einer eigenen Infrastruktur mit Forschungslabors (1980/1990) ermöglichte dann auch die Etablierung eigener Arbeitsgruppen und Forschungsprojekte mit einem weiten Spektrum von der tierexperimentellen Intravitalmikroskopie der Lunge und anderer Organe über tierexperimentelle Vorhaben zu Stoffwechsel und Ernährung bei Sepsis und nach Trauma bis hin zu immunzytologischen Untersuchungen im Zusammenhang mit der Diagnostik und der Therapie von Sepsis und Multiorganversagen, klinisch-pharmakologischen Untersuchungsvorhaben mit neuen intravenösen Kurznarkotika und Muskelrelaxantien sowie der Entwicklung und Erprobung eines Neuromonitorings im klinischen Einsatz.

Medizintechnik

Cooper und Mitarbeiter hatten in einer 1984 publizierten Analyse von Anästhesiezwischenfällen herausgefunden, dass rund 70 % aller von ihnen untersuchten gefährlichen Zwischenfälle in der Anästhesie auf menschlichem Versagen beruhen. Diese Studie bestärkte die Erlanger Anästhesie unter Rügheimer in der konsequenten Weiterverfolgung ihres bereits seit 1979 schrittweise umgesetzten Konzepts zur Sicherheit in der Anästhesie. Es begann 1979 - noch vor Inkrafttreten der Medizingeräteverordnung - mit der Implementierung einer eigenen Arbeitsgruppe Medizintechnik unter Leitung eines Diplom-Ingenieurs, die zunächst für die Sicherstellung der Betriebsbereitschaft des Geräteparks der Anästhesie in den Operationssälen und auf der Intensivstation zuständig war.

Weiterbildungskonzepte und Fortbildung

Neben der Ausbildung der Studenten konzentrierte man sich vor allem auch auf die Entwicklung didaktischer Konzepte für die Weiter- und Fortbildung der ärztlichen und pflegerischen Mitarbeiter. Ein wichtiger Schritt in dieser Richtung war die Einführung eines klinischen Propädeutikums im Jahre 1980, das alle ärztlichen Mitarbeiter in der Anästhesie-Ambulanz (Lungenfunktion, kardiologische Diagnostik), in der Abteilung für Transfusionsmedizin (hämatologische Diagnostik) und in der Medizintechnik (Grundlagen der Technik von Beatmungs- und Narkosebeatmungsgeräten, Gerätetraining) durchlaufen, bevor sie zum ersten Mal in der klinischen Anästhesie tätig werden, d. h. die angehenden Mitarbeiter werden durch ein gezieltes "learning for doing" systematisch auf den Einstieg in die klinische Praxis vorbereitet. Rügheimer's didaktische Analyse der Weiterbildung identifizierte neben dieser ersten Risikoschwelle beim Übergang vom Studium zur klinischen Tätigkeit noch eine zweite Risikoschwelle, nämlich die Konfrontation mit neuen Tätigkeitsbereichen nach der klinischen Grundausbildung. Auch hier versuchte man in Erlangen neue Wege zu einer effizienteren Vermittlung sicherheitsrelevanter Informationen durch Blockkurse und die Bereitstellung von Grundlagen- und Expertenwissen an den Anästhesiestützpunkten und in den OPs. Die konsequente Weiterführung des von Rügheimer formulierten didaktischen Konzepts durch ein systematisches "learning by simulation" gelang seinem Nachfolger 1996 durch Implementierung des "Erlanger Anästhesie-Simulators", des ersten "Full scale-Simulators" in der deutschen Anästhesiologie. Das Erlanger Anästhesie-Institut zeichnete für eine große Zahl von nationalen und internationalen Symposien verantwortlich, wie z.B. Jahrestagung DGAW 1974 in Erlangen, Kongress für Fachkrankenpflege 1977, 7. Weltkongress der Anästhesiegesellschaften 1980 in Hamburg, 20. Bayerischer Anästhesistentag 1990 in Erlangen, 6 Internationale Erlanger Anästhesie-Symposien, 11 Erlanger Anästhesie-Seminare und 11 wissenschaftliche Workshops Rügheimer wurde im März 1994 emeritiert und leitete das Institut noch bis zur Wiederbesetzung des Lehrstuhls. Am 1. Juni 1995 erfolgte die Ernennung von Prof. Dr. med. Jürgen Schüttler zum neuen Ordinarius für Anästhesiologie und zum Direktor der jetzigen Klinik für Anästhesiologie. Mit dem Dienstantritt von Schüttler übernahm die Anästhesie die organisatorische Verantwortung für die Interdisziplinäre Operative Intensivstation mit 25 Betten an der Chirurgischen Universitätsklinik. Das Institut für Anästhesiologie wurde aufgrund dieser Tatsache in Klinik für Anästhesiologie umbenannt.